05.12.2010

Lektion 19: Bei Wichmann

Zwei Hochzeiten und zwei Todesfälle, Taufen und Konfirmationen, intime Soupers und große Feinschmeckereien. Wer in Hannover aufgewachsen ist - mit einem gewissen Hang zu bürgerlichen Traditionen und großbürgerlicher Gourmandise, dem ist das landhausartige Refugium der 150-Jahre-alten Gastwirtschaft Fritz Wichmann von Kindesbeinen an ein zweites Wohnzimmer. Alle anderen Hannoveraner kennen es nur von außen. Dafür kehren hier auch auswärtige Kanzler, Könige und Kaiser häufiger mal ein.


Den Anruf nahm Ariane Weick, die Tochter des Hauses, an - und erstarrte sogleich. Stumm reichte sie den Hörer weiter an ihren Vater. Am anderen Ende der Leitung war ER persönlich, um sich im perfekten deutsch für einen schönen Abend in der Gastwirtschaft zu bedanken: Wladimir Wladimirowitsch Putin, (damals) Staatsoberhaupt Russlands. Das war selbst für Verhältnisse, wie sie hier vorherrschen, etwas Besonderes. Und deshalb hängt ein Erinnerungsfoto von Putins Besuch heute im Entrée. Andere blieben unfotografiert, unerwähnt. „Diskretion ist alles!“, verrät Gerd Weick, „und ich selbst muß auch nicht ständig Journalisten Rede und Antwort stehen.“ Uns jedoch empfängt er zum Interview im sogenannten Delfter Zimmer.

Ein lupenreiner Feinschmecker

Die Gastwirtschaft Wichmann verteilt sich auf ein schier unendliches Ensemble aus Kabinetten, Stuben und Sälen. „Unser“ Delfter Zimmer hatten seinerzeit auch Putin und sein Gastgeber Gerhard Schröder für ihre vertrauliche Zusammenkunft gewählt.

„Lassen Sie uns bitte nicht vom Kochen sprechen!“, beginnt der Hausherr, der zwischen 1974 und 1982 hier Küchenchef im Dienste der Familie Fritz Wichmann war und 1976 den ersten Michelin-Stern in die Landeshauptstadt Hannover holte, der, dem das traditionsreichste Restaurant dieser Stadt seit 1988 selbst gehört. Worüber möchte er denn gerne plaudern? „Über Frauen. Meine Inspiration, meine Welt...“ Und schon werden Fotos vorgezeigt. Mit Langbein Ute Lemper, mit Champagnerlady Virginie Taittinger („meine beste Freundin“)...

Altes Fachwerk -
der ideale Rahmen für schöne Frauen

Und weiter geht es zu den Witwen verdienter Stammgäste. Es ist nämlich so, daß jeden Mittag gegen eins Weicks BMW X5 vom Hof rollt und das wohl exklusivste Essen auf Rädern ausliefert, das dieses Land kennt. „De luxe. Auf Silbertablett.“ Nur für zwei ältere Damen in Waldhausen. Das ist Chefsache. Es müssen schon gute Gäste gewesen sein früher, denen Weick diesen ebenso rührenden wie soignierten Dienst erweist. „Ach, wissen Sie, früher...“, wird der Wirt sentimental und berichtet von Kaviar satt, von bis dato ungekannten Edelprodukten aus Frankreich, von Partys bei seinem Mentor Walter Böcker, in dessen Lokal am Maschsee die Schönen und Reichen dereinst so richtig Gas gaben. Heute heißt es Die Insel, und dort rühmt man sich auf einer kleinen Fotowand der Besuche von Angela Merkel und Robert Enke.

Gerd Weick -
Wichmanns Hausherr seit 1988

Weick selbst bevorzugt das Understatement. „Mein Rolls-Royce steht in der Küche“, springt er auf. Wir folgen ihm ins Allerheiligste. Und tatsächlich, da ist er: der Molteni-Herd, groß, schwer und bedrohlich wie ein Panzer. Kein anderes Utensil könnte in dieser Küche stehen. Hier wo man dem  Hummer in allerlei Varianten huldigt, wo aus Stopfleber Torten aufgeschichtet werden, wo man dem Wildbret eine eigene saisonale Speisekarte widmet, wo der Fisch tagesfrisch nur im Ganzen angeliefert wird - je nach „Marktlage“. Aber was ist mit Businnesmenüs, Downsizing?  „Haben wir alles probiert,“ winkt der Chef ab, „darauf legen unsere Gäste keinen Wert.“

Sohn Arndt, Gerd Weick
und ganzer Kabeljau mit Kopf

„Außerdem: wir wollen nicht vom Kochen reden!“. Stattdessen schwelgt Gerd Weick - passionierter Klarinettenspieler (!), wie wir erfahren - nun von Musik. Alles von Klassik bis zu den Rolling Stones. Ach ja, werfen wir ein, und uns rauscht der Kopf, waren die auch schon hier? „Die Stones?“, beugt Weick sich nach vorne und fängt an zu flüstern, „da mußten wir die Fensterläden zuziehen! Sie kamen kurz nach Mitternacht und die Session ging bis vier Uhr morgens. Mick hat sich am nächsten Tag persönlich für den schönen Abend bedankt.“ Wir sacken zusammen. In dem Stuhl, in dem schon Putin saß.

Da kann man lachen: der kleine Lustgarten im Innenhof
zählt zu den zauberhaftesten Plätzen in der Landeshauptstadt

02.12.2010

Newsflash: Die netten Al Thanis aus Qatar

Aus gegebenem Anlaß veröffentlichen wir hier leicht gekürzt einen Text, der bereits vor zwei Jahren, am 04. August  2008, in unserem Blog Travels (gehostet bei Posterous) erschien. Erfahren Sie, geneigter Leser, direkt vom Stilbestimmer alles über das rätselhafte Qatar, das 2022 Ausrichter der FIFA-WM sein wird.


Travels
Reisetagebuch, 04.08.08: Die netten Al Thanis aus Qatar



Das Westin Paris steht diesmal im Zeichen zweier Familien, die beide mit Kind und Kegel hier Urlaub machen: Die des Stilbestimmer - in Zimmern 3053/3054 - und die Familie Al Thani aus Qatar. Der Skeikh hat für seine Sippschaft die 2. Etage komplett gebucht (120 Zimmer) und Teile der Innenhofterrasse permanent reserviert, um dort eine vermittels Paravents abgezirkelte Caravanserai aufzuschlagen. Man ist gerne "entre nous".


Ansonsten sind die Al Thanis sehr nett. Die Kleinen vergnügen sich tagein, abendaus auf dem - wie in jeden Sommer - vis-à-vis in den Gärten der Tuilerien aufgebauten Jahrmarkt, die Sheikhas (die Frauen und Töchtern des Emirs von Qatar) tun das, was deutsche Girlies auch den ganzen Tag tun: Shoppen, und die halbstarken Muselmänner interessieren sich nur für Autos.


Ausnahmezustand vor dem Westin: Der Fuhrpark des Sheikh besteht aus ca. 30 schwarzen S-Klasse-Limos von Europcar mit Hamburger Kennzeichen - sowie diversen Bentley Continental, Lamborghini Murciélago oder Cayenne Turbo S - alle weiß lackiert und alle zugelassen in Doha, der Hauptstadt von Qatar.


What money can't buy: Gut, weiß lackiert ist mein Golf Plus 1.4 auch, und der Wagenmeister, Monsieur George, parkt Das Auto aus jahrelanger Verbundenheit noch vor dem Lambo - wäre ja auch noch schöner... Und während wir uns unter den Kolonaden der Rue de Castiglione die Beine vertreten, denkt des Stilbestimmers Sheikha: "Was soll's?! Mein Gatte hat zwar keine Flügeltüren, aber 'Caravanserai' ist für ihn immer noch das vierte Album von Santana, und nicht die Lobby in seinem Pariser Stammbeiserl."



Den Eiffelturm läßt das alles kalt. Er strahlt zu jeder vollen Stunde eisblau und macht immer eine gute Figur.

Im Sommer 2022 werden die Wandelgänge im Westin Paris
sie wohl nicht sehen: Urlaubssperre für die netten Al Thanis aus Qatar

01.12.2010

Lektion 18: Kleine Fluchten

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Bernardo Bellotto:
Venizianisches Capriccio mit Ansicht von Santa Maria dei Miracoli
 Der wasserseitige Eingang ins Gritti

Selbst der polyglotteste Reisende kann nicht immer dort sein, wo er sich gerade hinwünscht. Unser Lieblingsplatz in der Welt, wie wir sie kennen, ist die hölzerne Terrasse (direkt am Canal Grande) des Hotels Gritti Palace in Venedig im Stadtteil San Marco.

Hotel Gritti Palace
Über die Luxuriösität und Abgehobenheit dieser Herberge ist alles gesagt. Eine Art Ritz in der Lagune, denn wie in der Pariser Hotel-Ikone gibt es auch hier viele Legenden und ebenso viel Renovierungsstau - und gelegentlich Langweile.

Doch nicht immer, wenn spontanes Fernweh plagt, ist der Canal Grande sofort greifbar. Eine naheliegende Alternative ist ein Besuch in der Landesgalerie im Niedersächsischen Landesmuseum zu Hannover. Hier hängt - ein wenig versteckt - unser ganz privates Venedig. Diesen Kurztrip kann jedermann machen: Es ist eine kleine Ansicht der Kirche Santa Maria dei Miracoli, gemalt um 1740 von Bernardo Bellotto (geb. in Venedig 1721, gest. in Warschau 1780).

In der Landesgalerie
Das Gemälde ist ein Capriccio, in dem einzelne venezianische Bauwerke zu einer frei erfundenen Komposition zusamengefügt wurden. Die linke Bildhälfte zeigt die Chorseite der kleinen Votivkirche Santa Maria dei Miracoli mit Rundfenstern im Kuppeltambour anstelle der gegenwärtig rundbogigen Fensteröffnungen und ohne die blinden Oculi im rechteckigen Tambourunterbau. Das 1481 - 1489 von Pietro Lombardo und seiner großen Werkstatt errichtete Gotteshaus war zur Zeit seiner Entstehung der erste allseits freistehende Kirchenbau Venedigs.

Santa Maria dei Miracoli
Bellottos Mutter war die Schwester des Malers Antonio Canaletto; deshalb ist Bellotto gelegentlich auch unter dem Namen seines Onkels und Lehrmeisters in die Kunstgeschichte eingegangen. 1735 trat er in dessen Werkstatt ein, zunächst als Schüler, später als Mitarbeiter. Von 1747 - 1766 war Bellotto als Hofmaler in Dresden tätig und wirkte anschließend bis zu seinem Tod als Hofmaler in Warschau. Seine Stadtansichten zählen zu den Höhepunkten der Vedutenmalerei des 18. Jahrhunderts.

Das Gemälde in der Landesgalerie ist eine Leihgabe der Fritz Behrens Stiftung Hannover.

(Quelle: Teile dieses Textes entstammen der Bildbeschreibung des genannten Werkes der Landesgalerie im Niedersächsischen Landesmuseum.)

28.11.2010

Lektion 17: Essen muß der Mensch

Bigmouth Striked Again
Winter in Paris. Ein sonniger Mittag auf der Terrasse von "Les Deux Magots". Alle wollen nur das eine, das Tagesgericht: Den verführerischen kleinen Linsensalat mit einigen Scheiben Foie Gras (12,50 €). Es breitet sich unter dem legendär souveränen Servicepersonal sogar eine gewisse, gänzlich ungewohnte Hektik aus, weil die Küche offenbar nicht nachkommt. Geht etwa die Stopfleber zur Neige? Eigentlich undenkbar in Pariser Kühlschränken… Oder hat der Chef seine Linsen verloren?

Als nun noch obendrein auch wir das begehrte Schälchen (siehe Foto) ordern, verdreht der Kellner sogar kurz die Augen und muß erst durch eine scharfe Nachfrage nach seinem Befinden – abschtlich mit deutlich deutschem Akzent vorgetragen – wieder zur Räson gebracht werden. Aber warum die Aufregung? Schließlich wäre auch heute der Deux-Magots-Klassiker eine sichere Wahl: der “Saumon fumé de Norvège et toasts” (24,50 € - im Foto links) – ein Lachs von einer Güte, die demütig werden läßt.

Wir lassen uns jedenfalls beides servieren auf dem winzigen Outdoor-Tischchen vis-à-vis der Église Saint-Germain-des-Prés, die in der wärmenden Wintersonne glänzt. Unterdessen versteckt der “Voiturier” - auf deutsch: ein Auto-Weg-Parker für die Gäste des "Les Deux Magots" (Kosten: 8,00 €) - unseren Renault-Kangoo vor der Meute der eifrigen Pariser Politessinnen. Den praktischen Kastenwagen haben wir am Flughafen Orly geborgt von Regine Sixt.

Und so sitzen wir total glücklich zu Tisch. Denn heute bekommt das Auto mal kein “Knöllchen”, und wenn doch – es gehört ja gar nicht uns… So läßt es sich aushalten. In 75006 Paris!

Dieser Text erschien zuerst in dem Food-Blog Hannover is(s)t phantastisch

17.10.2010

Inception



OMG! Ab 3. Dezember gibt es den nächsten Oscar-Kandidaten für "Bester Film" (2011) bereits auf DVD...


11.10.2010

Es klappert der Elbert am rauschenden Bach


Am Küchengarten in Hannover-Linden gibt es eine Bar, dort kann man über eine geöffnete Kiste 1990er Hermitage La Chapelle von Jaboulet (100 Robert Parker Punkte) ins WC schweben und von da den Gästen beim Weintrinken zusehen - durch eine halbdurchlässige Fensterscheibe.

Die Weinbar "IhmeRauschen" befindet sich in demselben leicht barackenhaften Gebäudekomplex, in dem auch die Gaststätte "11a Küche mit Garten" untergebracht ist. Und wie diese ist auch IhmeRauschen ein Projekt von Christoph Elbert und seiner reizenden Gefährtin Verena Schindler. Wer in den letzten zwei Jahren mal im 11a essen war, das wir an anderer Stelle bereits als "das ungewöhnlichste unter den guten Restaurants Hannovers" bezeichnet haben, der ahnt, daß im IhmeRauschen die Uhren ein wenig anders ticken als gemeinhin in Lindener Eckkneipen. Die neue Weinbar ist quasi die Alice-In-Wonderland-Version einer Trinkhalle. Eingebaut wurde sie in ein vormaliges Umspannwerk. Wo früher die schweren Transformatoren im Boden eingelassen waren, ist jetzt der unterirdische, nach oben verglaste Weinkeller - in ihm: eine der wertvollsten hannöverschen Sammlungen von Spitzengewächsen aus aller Welt aus den größten Jahrgängen.

Wegen des Kraftstroms, der früher in dieser Halle floß, - und nicht nur wegen des Wellenschlags der nahen Ihme - trägt der Laden jetzt das "Rauschen" im Namen, denn "der Begriff stammt ja irgendwie auch aus aus der Welt der Elektrik", weiß Wirt Elbert.

Der Allegorien sind noch viele: Die grafittiartigen Höhlengemälde in dem fensterlosen Verließ zitieren Van Gogh. "Die Pappeln rund um Arles, keiner hat sie so gemalt wie Vincent," schnalzt Elbert, "und ich habe ihn jetzt kopiert!" Im Maßstab 10:1. Über uns verdüstert sich die Wolkenhimmeltapete, schon bald rauscht es nicht nur in der Ihme, sondern auch im Kopf des Gastes. Erdacht und umgesetzt haben das frappante Konzept die Wirtsleute Elbert und Schindler gemeinsam mit Designer Oliver Schröder von raum D.

Übrigens: wer nun keinen Wein trinken mag, greift zur Wacholderbeere. Der Gin'n'Tonic kommt in der langstieligen Tulpe unter Verwendung des Münchner Kultlabels The Duke. Im Service: das sympathische 11A-Team um die hausbekannten Grazien Mel und Paula. Nur die gute Bahar verweigert sich der erweiterten Kampfzone, wie sie uns verrät. "Ich verstehe nichts von Wein," stellt die resolute Maîtresse de maison vom 11a klipp und klar. Man kann eben nicht alle haben. Auch nicht als Alice im Wunderland.

Unterirdischer Keller mit überirdischen Trouvaillen - wir stehen drauf
Christoph Elbert mit Weinkönigin aus Beaune
Kopfrauschen
Ein lebhafter Ausblick vom stillen Örtchen
Unser Exklusivinterview


Dieser Post erschien zuerst in unserem Food-Blog Hannover is(s)t phantastisch

Weil wir böse sind


Der TATORT "Weil sie böse sind" hat Sonntagabend völlig verdient den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Bester Fernsehfilm" gewonnen.


Einer stand nicht mit auf der Bühne, um den Preis entgegen zu nehmen: Matthias Schweighöfer, der Hauptdarsteller. Der Kritik gilt das Wunderkind spätestens seit "Böse" als einer der besten Schauspieler der Welt... Die F.A.Z. schrieb seinerzeit: "Weil Schweighöfer das so schlicht wahrhaftig spielt, löst er ein, was der Titel behauptet: dass das Böse in uns allen lauert. Wenn dieser Schauspieler auf einen neuen Pasolini trifft, könnte er unsere Filmwelt aus den Angeln heben."


09.10.2010

Lektion 16: Der trockene Martini



Zu den unterhaltsamsten Künstler-Autobiographien zählen die Lebenserinnerungen des spanischen Regisseurs Luis Buñuel: "Mein letzter Seufzer". Kein "Wie-ich-Filme-machte"-Langweiler, sondern Weisheiten und Savoir Vivre pur. Bemerkenswert zum Beispiel die Reflexionen über den Verlust der eigenen Libido, von dem alternden Buñuel offenbar herbeigesehnt wie eine Art der Befreiung. Nach dem die sexuelle Lust ausgebrannt ist, widmet er sich fortan seiner zweiten großen Leidenschaft - dem Martini-Cocktail. Was ihn keinesfalls gleich zu einem Trinker macht - zwei Stück pro Tag sind genug. Die wollen jedoch sorgfältig zubereitet sein... Diese Passagen sind kapitelfüllend.

"Wie" man den Drink zubereitet, darüber ist freilich genug geschrieben worden. Allerdings, wie man über dieses "wie" trefflich streiten und diskutieren kann, das zeigt Buñuel in einer Sequenz seines in gewohnt surrealer Manier geschaffenen Films "Der diskrete Charme der Bourgeoisie": Wieder einmal wartet die Gesellschaft der sechs Protagonisten auf das gemeinsame Diner. Monsieur Thévenot bereitet derweil Martini-Cocktails zu: "Chèrie, so wie du ihn trinkst, so war er einmal in den 30er Jahren in New York Mode, aber ich mag ihn lieber so - mit einem Spritzer Pernod."

Schließlich muß auch noch Maurice, der Chauffeur, für eine Demonstration herhalten. Der arme Tor bedankt sich artig für die Einladung, stürzt den Dry Martini dann aber hinunter ohne abzusetzen. Verhaltensstudien: "Habt ihr es gesehen? DAS war das typische Beispiel, wie man einen trockenen Martini NICHT trinken sollte!" Madame Thévenot jedoch entschuldigt den Proleten: "Er ist ein Mann aus dem Volke, er hat nun mal keine Kinderstube!" Tja, heute sagte man wohl: dumm gelaufen.


Übrigens: besonders im angelsächsischen Raum macht es Spaß, den Martini als "Montgomery" zu bestellen, benannt nach dem britischen General im Zweiten Weltkrieg Sir Bernard Law Montgomery. Man sagte ihm nach, daß er erst dann seinen Widersacher, den deutschen "Wüstenfuchs" General Rommel, wagte anzugreifen, wenn seine Truppen denen der Wehrmacht 15:1 überlegen waren. In Harry's Bar in Venedig, wo der "Montgomery" erfunden wurde, beschränkt man sich auf ein Mischungsverhältnis von 10 Teilen Gin zu 1 Teil Vermouth. Das ist also nachgerade schmeichelhaft für den ängstlichen General, aber immer noch ein harter Drink für jeden Martini-Fan. Salute!

10.09.2010

Lektion 14: Coming down is the hardest part

Die legendäre plane-crash Schlußszene aus Peter Weir's Film Fearless. Musik: "Polymorphia"
von Krzysztof Penderecki
.

05.09.2010

Lektion 13: Schuhputzer

Club Salon Baba
L'art du cirage et du glaçage  

Oft wird vergessen, daß die Dienstleistung am Gentleman ja auch immer ein Akt der Kommunikation ist, oder sollte man besser sagen: war. Mit meinem Barbier kann ich mich nicht unterhalten. Er spricht nur türkisch. Immerhin: wenn ich mich bei der kitzligen Massage der Halspartie krümme und winde, lächelt er leise mit. 

In der Heimat des Gentleman mag das hie und da noch etwas anders sein. Im The Connaught (dem besten Hotel Londons - wer das Gegenteil behauptet ist blöd) wird der Gang zum Klo zum Vergnügen. Denn auf dem stillen Örtchen hinter der Lobby wartet das vertraute Gesicht eines in Ehren gealterten, nun..., sagen wir mal: "Facility Managers" - wie es heute wohl heißen muß. 

Der livrierte Schwarze reicht das Frottée. Und die sich anschließende Diskussion, Tropfen welchen Eau de Toilettes er seinem Gast wohl in den Nacken sprühen dürfe, gehört zu den vergnüglichsten Momenten des Tages.
The Connaught Hotel
Ein paar Schritte weiter östlich in diesem wunderbaren Mayfair, in der Burlington Arcade, sitzt ein Schuhputzer - mehr als Deko denn als Service, übrig geblieben von einem ganzen Heer dienstbarer Geister, die früher - so wird erzählt - mit Wichse und Bürste durchs borough wieselten. Immerhin: der hier macht seine Sache gut - für 3 Pfund. Doch ist dies nur noch ein Abgesang. Wie ja die ganze Arkade im Grunde genommen nur noch Zierart und Folklore ist. Für die hier angebotenen Produkte und Dienstleistungen gibt es eigentlich keinen messbaren Markt mehr. Vis-à-vis vor dem Flagship von Abercombie&Fitch versuchen zwei muskelbepackte Türsteher die Massen zu bändigen... Heute will halt jeder nur noch ein Leibchen, auf dem steht: "A.F.".

Das Aussterben bedrohter Servicearten ein wenig hinauszuschieben, das hat sich ein senegalesischer Dipolomatensohn aus Paris auf die Fahnen geschrieben. Papa "Baba" Conrad Sarr. Und er geht sogar noch weiter, er kehrt den fatalen Trend um! Sein Schuhputzladen, der mit Devotionalien vollgepfropfte, wie der Schrein eines Dandys eingerichtete Club Salon Baba in einer Querstraße der Champs-Eylsées, ist der exklusivste und charmanteste hot spot des gesamten 8. Arrondissement. Le plus cool. 

Zunächst einmal: Das Handwerk wird hier zelebriert wie eine Kunstform. Und so nennt Baba es auch: l'art du cirage et du glaçage. Mit seiner geheim gehaltenen Technik, die er nur noch an seine gazellenhafte Assistentin und Freundin weitergegeben hat, bringt er Schuhe derart zum Glänzen und Strahlen, daß es eine Wonne ist. Das dauert mitunter aber auch schon mal bis zu 20 Minuten - kostet aber immer nur 10 Euro, und wenn man lieb ist, versteht sich der Preis sogar inklusive Espresso oder Champagner. Und lieb sind hier die meisten, denn dieser schöne, warmherzige, freundliche Mensch, der noch in Sneakers Eleganz ausstrahlt, versammelt die feinsten Exemplare der jeunesse dorée in seinem kleinen Schuhputzlädchen. Es ist wie in einem Taubenschlag, bloß daß hier fast ausschließlich der Typ Paradiesvogel zur Tür hineinflattert, darunter zur Hälfte Weibchen.

Man spricht über Neuigkeiten aus dem Quartier, über Reisen, die schönen Künste, Afrika, Martin Luther King... und über Schuhe! Mit einem Billigfabrikat oder gar einem Loch in der Sohle sollte man den Club Salon Baba tunlichst nicht aufsuchen, denn um sich zu blamieren, gibt es bestimmt bessere Orte als diesen Hort lässiger Kultiviertheit und selbstverständichen Stils. 34 rue Jean Mermoz. Grüße bitte!

Babas Gästebuch: Frankreichs Jeunesse Dorée

Eine schöne Reportage über den Club Salon, der ich dieses Foto entnommen habe, gibt es auch hier: De Jeunes Gens Modernes.

Der Stilbestimmer trägt beim Schuhputzer: Schuhe von Alden, Strümpfe von Sozzi, Hose von Valentini, Hemd von Barba, Sakko von Cesare Attolini.

03.09.2010

Lektion 12: Es wird Nacht, Senorita


Der Udo und ich. Da paßte früher allerhöchstens
die Schwarzhaarige im weißen Bikinioberteil dazwischen.

Als Sproß alter Wörthersee-Fahrer - schon seit den 60ern - kennt man Udo natürlich von Kindesbeinen. Denn in Kärnten im Allgemeinen und am Wörthersee im Besonderen ist der Klagenfurter Sohn seit jeher omnipräsent und wird dort verehrt wie eine Gottheit. Und das darf man durchaus wörtlich nehmen...

Später hieß man uns in der Diskothek Drop In im Hotel Schloß Seefels in Pörtschach, für einige Nächte den besten Tisch (den einzigen im Eingangsbereich) zu teilen. Der Superstar mit Anhang und der junge Schnösel und Piefke mit Anhang. Das war bestimmt nicht schön für den Chansonnier (sehnte er sich damals womöglich erstmals, "ich war noch niemals in New York"?)...

Wieder einige Jahre später sprang meine Begleiterin Niki barbusig in die Wörthersee-Wasser, ausgerechnt als Udo in seinem Boesch-Boot (ein Mittelklassefabrikat vom Zürichsee) gerade am Steg unseres Hotels in Maria Wörth festmachen wollte und prompt fragte: "Ist das deine Freundin?" - "Ja", antwortete ich nicht ohne Stolz. Daraufhin er nur: "ex!". Show-Business... Natürlich blieb alles beim Status Quo. Der Barde wagte es nicht einmal.

Wir stellen also fest: in "Es wird Nacht Senorita" spielt der eigentlich schüchterne Udo Jürgens nur eine Rolle. Es gehört sich ja auch nicht wirklich, so frech und vorwitzig zu sein wie der Wanderer ohne Quartier in dem Lied... Oder doch?

27.08.2010

Lektion 10: Rue Montorgueil



DIE Straße im ehemaligen Hallenviertel von Paris, das ja einst nicht nur "der Bauch" der Stadt, sondern auch das Rotlicht-Quartier war. Billy Wilder siedelte deshalb die Story zu seiner Irma la Douce mit Shirley MacLaine genau hier an. Die Rue Montorgueil durchquert das 2. Arrondissement von dem häßlichen 80er-Jahre Shopping-Komplex Les Halles durch das hot&coole Boutiquen- und Kneipenviertel an der Rue Etienne Marcel bis hinauf zur noch immer roten Meile...

Einmal holten wir - allein gelassen und gelangweilt - zur blauen Stunde im Hôtel Victoires Opéra 
(56 rue Montorgueil) in einem Zimmer mit dem begehrten street-view die Videokamera heraus und ließen die digitalen Blicke schweifen. Street Life.

26.08.2010

Lektion 9: Privatschule

New York City. Das ist das Waldorf-Astoria Hotel. Eines der luxuriösesten Hotels der Welt. Es hat sogar einen eigenen „geheimen“ Bahnsteig als Verlängerung des benachbarten Grand Central Terminal, New Yorks Hauptbahnhof. Eingerichtet wurde diese Plattform für Franklin D. Roosevelt, Präsident der Vereinigten Staaten von 1933 bis zu seinem Tod 1945, der seinen Zug immer direkt unter „das Waldorf“ fahren ließ, wenn er in der Stadt war. Von dort ging es mit einem privaten Lift in die Präsidentensuite. Warum diese Scheu vor der Öffentlichkeit? Nun, Roosevelt war behindert, er saß seit seiner Kinderlähmung im Rollstuhl. In der Zeit vor Fernsehen, Internet und bunten Klatschblättern wußten das aber nur wenige Amerikaner und so sollte es auch bleiben. Der Präsident, der sein Land durch den Zweiten Weltkrieg zu führen hatte, sollte keine Schwäche zeigen.

Und dies ist der Waldorf-Salat, vermutlich das bekannteste Gericht, das je in der Küche des o.g. Hotels von Chefkoch Oscar Tschirky kreiert wurde. Man nehme säuerliche Äpfel und rohen Knollensellerie, der in feine Julienne-Streifen geschnitten wird, vermengt dies mit gehackten Walnusskernen und mit einer leichten Sauce Mayonnaise. Abgeschmeckt wird mit etwas Zitronensaft und Cayennepfeffer. Der Waldorfsalat gehört zu den Klassikern der Salatküche und steht in unserer modernen Zeit gerne im Kühlregal der Lebensmittelmärkte - zwischen Farmer- und rotem Heringssalat.

Da bekommt man Appetit. Und Durst. Wissensdurst, nicht wahr?! Denn, so fragt man sich unwillkürlich, warum tragen ein Hotel in Amerika und eine leckere Feinkost den gleichen Namen wie die derzeit begehrtesten Privatschulen  in der ganzen Welt?

Die Lösung des Rätsels liegt hier...
...in Walldorf im Süden Baden-Württembergs. Überregional bekannt ist Walldorf heute nur durch das gleichnamige Autobahnkreuz. Aber am 17. Juli 1763 wurde dort Johann Jakob Astor geboren. Schon als junger Mann zog es ihn freilich in die Ferne. Er emigrierte in die USA, kam dort praktisch mittellos an und wurde dennoch vom Straßenfeger zum Musikalienhändler und schließlich durch Pelzhandel und Immobilien zum reichsten Mann der Welt. Sein Urenkel war John Jacob Astor IV, der beim Untergang der Titanic ums Leben kam - wie übrigens die meisten Reisenden der Ersten Klasse, weil diese sich weigerten, mit normalen Proleten der Klasse 2 und 3 das Schiffsdeck oder gar ein Rettungsboot zu teilen. Aber dies nur am Rande. Zuvor hatte John Jacob Astor der Vierte allerdings mit seinem Onkel William Waldorf Astor, einem Enkel von Johann Jakob, das Waldorf-Astoria Hotel gegründet. Daß William den zweiten Namen Waldorf bekommen hatte, zeigt, wie eng die Astors sich noch in dritter und vierter Generation mit der Heimatstadt des Familiengründers verbunden fühlten.

Interessant, nicht wahr?! Allerdings sind wir immer noch nicht in der Waldorf-Schule angekommen... Dazu müssen wir wieder zurück gehen ins Schwäbische. Am 1. Januar 1906 gründete der Schwabe Emil Molt in Stuttgart die Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Der Name war aber wohl viel mehr als eine bloße Hommage an den großen Sohn der Region. Man vermutet, daß die Tabakwarenfirma als Teil des weitverzweigten Handels- und Wirtschaftsimperiums der Astors entstand. Anders wäre es wohl auch kaum zu erklären, wie sie diesen, schon damals so renommierten Markennamen erhalten konnte. Noch heute schmückt das Portrait von Johann Jakob Astor die Packung der Marke Astor (die mittlerweile von Reemtsma hergestellt wird).

Eines Tages beauftragte Emil Molt, der Chef der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, einen gewissen Rudolf Steiner, er möge sich ein wenig um die Fortbildung der einfachen Arbeiter kümmern. Steiner war ein östereichischer Esoteriker und Philosoph. Er hatte die sogenannte Anthroposophie, eine gnostische Weltanschauung begründet und auf Grundlage dieser Lehre einflussreiche Anregungen für verschiedene Lebensbereiche, etwa Pädagogik, Kunst (Eurythmie), Medizin (Anthroposophische Medizin) und Landwirtschaft (Biologisch-dynamische Landwirtschaft) entwickelt. Bald kam Steiner zu dem ernüchternden Schluß, daß bei der geistigen Bildung der erwachsenen Arbeitern wohl nicht mehr viel zu machen sei. Man beschloß, künftig lieber gleich bei den Kindern der Firmenangehörigen anzusetzen. Und so wurde am 7. September 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule als eine Betriebsschule für die Sprößlinge der Arbeiter und Angestellten dieser Fabrik gegründet. Steiner machte die Schule zum Ausgangspunkt der anthroposophischen Waldorfpädagogik und übernahm die Ausbildung und Beratung des Lehrerkollegiums. Bis zu seinem Tod im Jahr 1925 war er spiritus rector der Schule. 

Diese Astoria-Betriebsschule auf der Stuttgarter Uhlandshöhe, Modell für alle späteren Waldorfschulen, war schulgeschichtlich die erste Einheits- bzw. Gesamtschule Deutschlands. In den folgenden Jahren wurden weitere Waldorfschulen in Deutschland und im Ausland begründet. Bereits 1928 bestanden Schulen unter anderem in Basel, Budapest, London, Lissabon und in New York. Danke, Familie Astor. Danke, Herr Steiner. Bei der Erziehung der eigenen Brut die Waldorfschule an der Seite zu wissen, ist heutzutage ein sehr beruhigendes Gefühl.

24.08.2010

Lektion 8: Disco

Disco. Where The Happy People Go! (The Trammps)

Paris. In Les Bains Douches. Der Abend näherte sich schon dem Morgen. Für üppige 600 Francs hatte der DJ zwei ganz frische 90er-Musicassetten zum Mitnehmen 'rausgerückt. Ich setzte mich erschöpft und zufrieden auf eine der riesigen Boxen und ließ die Tanzbeine baumeln.

Ob dieses Anblicks der Seligkeit schenkte mir die Frau an meiner Seite am nächsten Tag "Der kleine Prinz". Und heiratete mich ein paar Jahre später. Den Abend in der damals wohl heißesten Discothek der Welt (mit der härtesten Tür, aber es gab einen Trick) nahm ich trotzdem als Schlußpunkt an, denn es kommt der Tag, da soll der Gentleman nicht mehr auf Tanzflächen mit denen fraternisieren, die eigentlich gar nicht seine Brüder und Schwestern sein könnten. Gleich wie.

Natürlich, auch für Erwachsene gibt es Clubs mit der Option, ein Tänzchen zu wagen. Aber warum hat denn der Ritz-Club an der Place Vendôme nun sporadisch die Pforten geschlossen? Weil es ein Bordell war. Punktum. Annabel's am Berkeley Square, wo ja bekanntlich einst sogar die Nachtigall sang ("A Nightingale Sang in Berkeley Square"), ist ein Pfuhl, wo alle Todsünden gleichzeitig begangen werden - von Sugardaddies, die nicht wirklich Sexyness versprühen. Und übrigens: auch das Pariser Les Bains Douches ist mittlerweile geschlossen. Roman Polanski hat als Letzter die Tür zugemacht.

Mein Plädoyer: Laßt die Discos, die Clubs den Kindern. Nur sie sehen sympathisch aus, wenn sie ekstatisch zum Rhythmus zucken. Wie schon Norman Mailer wußte: "Echte Männer tanzen nicht". Aber was ist mit den süßen Frauen in der Disco?, höre ich den Leser jetzt zwischenrufen. Zugegeben: schweißnasse, begnadete Körper in verrutschten Tank Tops - das ist schon ein hübscher Anblick. Aber Mann mache sich nichts vor. Die Biester wollen alle nur das eine. Nein, nicht das eine, das andere: Coks (Merke: Coks schreibt man mit "C").

23.08.2010

Lektion 7: Stehgeiger

Von links: der Konsul der Republik Benin, ein anonymer Stehgeiger, die erste Frau von Max Grundig, die Anneliese, und der Stilbestimmer im Salle Empire, im Hotel de Paris, Monte Carlo

Es war ein romantischer Abend im L'Espadon, dem atemraubend schönen Restaurant des Hotel Ritz, das damals noch nicht von uneleganten Ostgoten überschwemmt wurde. Zum Spargel - fünf pralle Stangen von den Feldern des Landes serviert mit einer Sauce Mousseline - stellten die Kellner eine Schale mit warmen Wasser auf den Tisch. Zum anschließenden Waschen der Finger: Spargel ißt man nämlich mit der Hand! Das wissen heute die wenigsten, denn im Sansibar in Rantum/Sylt lernt man so etwas natürlich nicht.

Nach der Vorspeise traten die zwei Stehgeiger des Hauses endlich auch an unseren Tisch und verwöhnten die Ohren mit dem Thema aus Der Pate. Das zweite Musikstück mögen wir uns wünschen, bat man uns höflich. Doch uns stand der Sinn nach einer Überraschung. Die Künstler warfen sich einen kurzen Blick zu und setzten an... Und schon erklang sie, die so vertraute Melodie, die Frankie (mit einem Text von Paul Anka) zu einer universellen, sentimentalen Hymne gemacht hat: "My Way".

Das verblüffende an diesem musikalischen Appetithäppchen: Erst wenige Wochen zuvor hatte ich das Stück als einsames Saxophonsolo gehört - am Grab auf der Beerdigung meines Vaters. Es war sein letzter Wunsch... In diesem poetischen Moment im Ritz schämte ich mich meiner Tränen nicht und blinzelte hinauf zum blattgoldgefaßten Deckenfresco.

Die Küche des L'Espadon hat zwei Sterne im Guide Michelin und 17 Punkte im Gault Millau. Einen Führer, der die Stehgeiger eines Restaurants und die silbernen Spargelzangen von Christofle bewertet, gibt es bis heute nicht.

L'Espadon, Hotel Ritz, Paris

08.08.2010

Lektion 6: Rolls-Royce



Ich war einst stolzer Fahrer und Besitzer - leider nicht auch "Eigentümer" - eines Rolls-Royce Silver Cloud II LWB (long wheel base mit Trennscheibe). Ein perfekt erhaltenes Exemplar, Vorbesitzerin Queen Elizabeth The Queen Mother. Ein väterlicher Freund hatte das Fahrzeug in London gekauft, bevor ihm einfiel, daß er gar keinen Führerschein hatte. Der Rolls wollte aber bewegt werden, und so... gab er ihn mir!

Eines schönen Tages fuhr ich in diesem Silver Cloud mit der lieben Mutter - Gott hab' sie selig - nach Sylt. An der Verladestation in Niebüll bedeutete mir ein Bundesbahnmitarbeiter in gewohnt reduzierter Gebärdensprache, daß ich mit meinem Dickschiff keinesfalls wie jeder normale PKW-Fahrer einfach auf den doppelstöckigen Autozug rollen könne... Stattdessen sollte mein Platz auf dem offenen Pritschenwagen sein - neben LKWs und Gespannen mit Wohnwagen. Genau dazwischen reihte ich den Ex-Rolls von Queen Mum ein...

Und da sah ich sie, oder besser: es - einen RR Silver Cloud III (!) mit Mannheimer Kennzeichen, am Steuer eine attraktive Dame um die fünfzig und auf dem Sozius die umso attraktivere Tochter von etwa zwanzig. Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, ist wesentlich größer, als die, in einem von zwei RR Silver Cloud auf demselben Pritschenwagen nach Sylt zu sitzen (ist seitdem wohl nie wieder vorgekommen - und heute fährt alles Cayenne oder Panamera)...

Madame hatte arge Probleme, ihr Auto rückwärts (!) auf den Zug zu bugsieren. Sie war im Begriff, schier zu verzweifeln. So löste ich mich von meinem Volant, um dem Damen-Duo galant beizuspringen. Ich stellte zunächst mich artig vor - und danach deren Karre in einem eleganten Schwung, der den geborenen Rolls-Royce-Fahrer verriet, im Rückwärtsgang auf den Wagon! In diesem Moment hätte ich alles haben können: Mutter, Tochter, die Fabrik des Vaters wahrscheinlich auch noch, hätte ich nur darum gebeten. Doch stattdessen beließ ich es bei einer d'artagnanesken Verbeugung und empfahl mich stets zu ihren Diensten... Seit jenem Tag an der Autozugverladestation in Niebüll weiß ich, wie Triumph schmeckt. Süß!

25.05.2010

Lektion 5: Signs

Lido di Venezia

Es gibt durchaus Angehörige des männlichen Geschlechts, die schmücken ihr Exterieur mit Schriftzeichen wie "1a Martina" oder Symbolen wie martialischen Säbeln, die entfernt an die Flagge der Korsaren aus St. Malo erinnern. Aber eben nur entfernt. Manche tragen auf dem Rücken eine Nummer, und wenn diese z.B. innerhalb Hannovers die 96 wäre, würde sich auch keiner was dabei denken. Ist es aber meist nicht.

Der Gentleman kennt nur ein Monogram, außer seinem eigenen, zu dem er gelegentlich greift: Das LV, das 1896 (sic!) von Louis Vuittons Sohn, Georges Vuitton (1857–1936), kreiert wurde. Die Monogramm Canvas Linie ist ein Klassiker fürs Leben.

In den Cabanas - den privaten Strandhütten - des Hotel Excelsior am Lido di Venezia kann man das famose Reisegepäck sogar "am Platz" erwerben. Zu durchaus räsonablen Preisen - jedenfalls verglichen mit den Mietgebühren, die für die schmucken Badehäuschen aufgerufen werden. Diese kosten pro Tag nämlich soviel, wie andere Familien im benachbarten Jesolo für vier Personen in einer Woche - all inclusive - ausgeben. Die obskuren LV-Lederwaren hingegen kommen an diesem Strand zu Preisen wie beim Takko auf den Markt. Und ein Experte (Repräsentant eines Münchner Lederwarenherstellers mit dem A in Hufeisenform) versicherte uns glaubhaft, daß das typisch monograme Textilmaterial sogar original aus italienischen Fabriken stammte, welche für Louis Vuitton fertigen.

Wie auch immer... Uns hat das Schatten-Shopping stets Spaß gemacht. Wenn wir auch alle Einkäufe zuhause wieder verschenkt haben. Kopien sind peinlich.

19.05.2010

Lektion 3: Die Polizei

Kam die Polizei, ja was ist denn das? Das ist die Kehrseite der Medaille: Unter Alkoholeinfluß schlägt der Gentleman mitunter über die Stränge. So sieht es jedenfalls das Bürgertum, der Michel.

Wer arretiert wird, trägt am besten: Blazer von Chester Barrie, Binder von Ralph Lauren, Hose von Incotex und Schuhe von Alden.

Lektion 2: Malt

Der Gentleman trinkt... - na, was wohl - Single Malt Whisky. Aber nie vor 10 Uhr morgens! Hier zeige ich in der Spirituosenecke meines Weinkellers einige schöne Sorten vor. Hard-Core-Fans bevorzugen die Malts von der Insel Islay (sprich: Eila). Die extrem torfhaltige Nase gemahnt an das Anästhätikum Äther, das die älteren Leser unter Ihnen noch kennen...

Aber auch hier, wie bei der Wahl des Weins, des Einstecktuchs oder der Autofelge gilt: bloß kein Geschiß! Keine Seminare oder Predigten. Einst trank ich mich durch die preislich und thematisch sehr diversifizierte Whisky-Karte des Inverlochy Castle, dem exklusivsten hide-away in den schottischen Highlands, und fand beim Check-Out auf der Rechnung lediglich die Notiz: 8 x Bar a 5 Pfund. Da begriff ich - wie Jahre zuvor beim Flaschendrehen in einem Zwei-Sterne-Resto in Bordeaux -: Firlefanz ist nur was für Touristen...

Bloß keine Aufregung. Der Gentleman bestellt bei seinem Italiener "eine Flache trockenen, italienischen Weißwein". Und keinen Pinot blubb vom Winzer blabla aus dem Jahrgang dings. Denn merke: Deine Befindlichkeiten aller Art interessieren niemanden. Das gilt für eingebildete Krankheiten wie für angelesene Wein-Präferenzen.

Beim Nosing (Foto) trage ich einen Anzug von Kiton (bespoke), ein Hemd von Barba (bespoke) und einen Binder von Kiton.

18.05.2010

Lektion 1: Bar

Willkommen im ersten kompetenten Stil-Berater im elektronischen Netz. Hier erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um als perfekter Gentleman durch die Welt zu spazieren. In unserer ersten Lektion beginnen wir mit dem Ort, wo Gentlemen sich gemeinhin aufhalten: Die Bar.

Wie das geübte Auge sieht, stehe ich nicht vor, sondern hinter der Bar! Warum? Nun, was gezapft oder kredenzt wird, bestimmt der wahre Gentleman immer noch selbst. Was ich trage? Sakko von Chester Barrie, Hemd von Ralph Lauren Purple Collection, Krawatte von Mariano Rubinacci und natürlich eine Krawattenspange von London Badge and Button Co.

Und morgen erfahren Sie an gleicher Stelle, was der Gentleman trinkt in einer Bar. A demain, wie der Franzose sagt!